Bäckereiausbildung für junge Frauen aus Armenvierteln
Das Leben der Mädchen und jungen Frauen in den Armenvierteln der brasilianischen Stadt Vitória de Santo Antão wird von Armut, Gewalt und dem täglichen Kampf ums Überleben bestimmt. Viele Kinder wachsen auf der Straße auf und haben keine Chance auf einen Schulabschluss. Als ungelernte Arbeitskräfte verdienen sie nicht genug zum Leben und sind häufig Misshandlungen ausgesetzt.
Mit einer Ausbildung zur Bäckerin erwerben junge Frauen und Mädchen die nötigen praktischen Fähigkeiten, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen und der Armut zu entkommen. Damit sind sie nicht mehr täglich Gewalt und Ausbeutung ausgeliefert, sie erhalten eine Perspektive und können durch ein HANDWERK MIT ZUKUNFT ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
Hartes Leben am Rande der Stadt
„In den Armenvierteln am Stadtrand herrschen Lebensbedingungen, die man sich kaum vorstellen kann. Die meisten jungen Menschen hier haben keine Ausbildung und somit keine Chance, eine Arbeit zu finden. Viele arbeiten als private Hausangestellte ohne irgendwelche Rechte und verdienen dabei kaum genug zum Leben. Besonders für die Mädchen und jungen Frauen hier ist es hart, denn sie sind oft sexueller Gewalt durch den Arbeitgeber ausgesetzt, werden sehr früh schwanger und können dann weder sich selbst noch ihre Kinder versorgen.“
So beschreibt Marta Maria da Silva, Leiterin des Frauenzentrums Centro das Mulheres de Vitória de Santo Antão (CMV), die Lebensumstände in den Favelas, den Armenvierteln am Stadtrand.
Handwerk mit Zukunft
Vom Wohlstand ausgeschlossen
Obwohl Brasilien in den letzten Jahrzehnten einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat, leben nach wie vor mehr als sieben Millionen BrasilianerInnen unterhalb der Armutsgrenze. Die Schere zwischen Arm und Reich ist enorm. Für die Familien in den Favelas bedeutet dies noch immer ein Dasein in unwürdigen Lebensverhältnissen – in notdürftigen Behausungen ohne Kanalisation, ohne sauberes Wasser und oft ohne Strom.
Sie leben nicht nur am Rande der Stadt, sondern auch am Rand der Gesellschaft. Hohe Arbeitslosigkeit, Bandenkriminalität und Diskriminierung aufgrund von Armut und Hautfarbe machen das Leben in den Armenvierteln zum täglichen Kampf ums Überleben. So auch in den sechs Favelas von Vitória de Santo Antão, einer Stadt mit 130.000 EinwohnerInnen im Nordosten des Landes, etwa 50 Kilometer westlich der Hafenstadt Recife.
Ums Überleben kämpfen
Diese schwierigen Lebensumstände treffen besonders junge Mädchen und Frauen hart. Viele wachsen bereits auf der Straße auf, da ihre meist alleinerziehenden Mütter oft selbst noch sehr jung sind und sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen müssen. Andere wiederum sind von zu Hause weggelaufen, weil sie dort Gewalt und Missbrauch ausgesetzt waren. Bei einem solchen Leben ist es kaum möglich, einen Schulabschluss zu erreichen. Daher verwickeln sich junge Männer oft in kriminelle Aktivitäten wie Drogenverkauf und Diebstähle, und viele Mädchen und junge Frauen sehen sich gezwungen, sich zu prostituieren, um das Überleben der Familie zu sichern. Als Alternative bleibt ihnen höchstens eine Anstellung in Privathaushalten, wo die Arbeit schlecht entlohnt wird und sexuelle Übergriffe und Misshandlungen durch den Arbeitgeber keine Seltenheit sind.
Sich selbst eine bessere Zukunft aufbauen
„Die jungen Frauen aus den Favelas können vom Staat keine Hilfe erwarten. Staatliche Programme zur Unterstützung armer Familien werden derzeit stark gekürzt oder ganz eingestellt. Was sie daher brauchen, ist eine Berufsausbildung, damit sie finanziell unabhängig werden. Nur so können sie aus diesem Teufelskreis aus Armut, Arbeitslosigkeit und Gewalt aussteigen und sich selbst und ihren Kindern eine bessere Zukunft aufbauen“,
ist Marta Maria da Silva überzeugt.
Das Frauenzentrum in Vitória de Santo Antão
Unsere Partner-Organisation Misereor arbeitet bereits seit mehreren Jahren mit dem Centro das Mulheres de Vitória de Santo Antão (CMV) zusammen, welches 1988 als nichtstaatliches Zentrum für Frauen, Jugendliche und Mädchen in sozialen Notlagen gegründet wurde. Die Mitarbeiterinnen des Zentrums betreuen derzeit 140 Mädchen und deren Familien in den Bereichen pädagogische und psychosoziale Betreuung, Schulunterstützung, Berufsausbildung sowie Aufklärungsarbeit zu Frauenrechten. Dass diese Arbeit Früchte trägt, zeigt sich unter anderem daran, dass in den letzten zwei Jahren 250 der betreuten Mädchen ihren Schulabschluss erreicht und weitere 50 eine Berufsausbildung abgeschlossen und eine Beschäftigung im Einzelhandel gefunden haben.
Süßes und Pikantes backen und verkaufen
Nun sollen Mädchen und junge Frauen aus den Favelas eine handfeste berufliche Qualifikation und somit eine greifbare Perspektive für die Zukunft erhalten. Während der Bäckereiausbildung erlernen die Teilnehmerinnen die Herstellung verschiedener Süßspeisen, zum Beispiel Zitronen- und Bananenkuchen, Torten, Muffins oder Pudding aus Maniok sowie pikanter Backwaren wie mit Fleisch, Käse oder Fisch gefüllter Teigtaschen. Bereits nach kurzer Zeit können sie mit dem Verkauf dieser Produkte beginnen.
Im theoretischen Teil der Ausbildung werden zudem Themen wie Lebensmittelhygiene und die Haltbarmachung von Lebensmitteln behandelt und praktische Kenntnisse in Produktion und Betriebsführung vermittelt. Nach Abschluss der einjährigen Ausbildung können die Teilnehmerinnen eine Anstellung als Bäckerin, in Imbissstuben oder im Catering finden oder selbstständig Backwaren herstellen und verkaufen.
Vom Leben auf der Straße zur Bäckerin
Mädchen und junge Frauen aus den Favelas erhalten eine Bäckereiausbildung mit Kursen zu je vier Stunden an zwei Tagen in der Woche. Die Kurse finden in den Räumlichkeiten des CMV statt.
– Backstube und Material: Eine komplett ausgestattete Küche mit Backrohr, Herd, Backformen, Schüsseln, Geschirr … wird vom CMV zur Verfügung gestellt. Alle notwendigen Zutaten zum Herstellen von süßen und pikanten Backwaren sowie Unterrichtsmaterial erhalten die Teilnehmerinnen während der Kurse.
– Lehrerin: Eine Fachlehrerin für die praktischen Kurse und theoretischen Einheiten erhält eine Aufwandsentschädigung.
– Fahrtkosten und Verpflegung: Da die Stadtrandsiedlungen, aus denen die Teilnehmerinnen kommen, relativ weit vom CMV entfernt sind, werden Fahrtkosten und Verpflegung ebenfalls übernommen.
„Die Mädchen und jungen Frauen aus den Favelas können vom Staat keine Hilfe erwarten. Was sie daher brauchen, ist eine Berufsausbildung, damit sie finanziell unabhängig werden. Nur so können sie aus diesem Teufelskreis aus Armut, Arbeitslosigkeit und Gewalt aussteigen und sich selbst und ihren Kindern eine bessere Zukunft aufbauen.“
Marta Maria da Silva Leiterin des Frauenzentrums CMV in Vitória de Santo Antão
Fotos: © Eduardo Soteras Jalil / Misereor, Centro das Mulheres de Vitória de Santo Antão (Da wir die sozialen Projekte nicht selbst betreuen und besuchen, ist der Projektträger die Quelle und Eigentümer der Fotos)
Projektbeschreibung: © Entwicklungshilfeklub
KAFFEELAND HAINISCH in Zusammenarbeit mit Entwicklungshilfeklub, Misereor, Centro das Mulheres de Vitória de Santo Antão (Durchführung im Einsatzgebiet)